Mittwoch, 26. Mai 2010

Neulich im Ausgang

Keine Angst, liebe Deutsche, Ihr gewöhnt Euch noch an das Wort. Ihr müsst es nur noch ein paar Mal lesen oder hören und schon klingt es ganz normal und nicht mehr nach Gefängnishof oder grünen Exit-Schildern. Eigentlich heißt es ja auch Uusgang und nicht Ausgang, aber das kann man irgendwie nicht schreiben und schon gar nicht in einem ansonsten hochdeutschen Text. (Ich nehme mir an dieser Stelle fest vor, eines Tages einen Blogeintrag komplett und ernsthaft in Schweizerdeutsch zu verfassen. Vielleicht poste ich sogar eine unkorrigierte und eine professionell korrigierte Version - das wäre sicher lehrreich.) Es nimmt mich noch Wunder, ob mit der Deutschenschwemme nicht eh ein neues Pidgin entsteht, in dem Ausgang ganz normal tönt und man sich höflich für das Telefon bedankt, wenn man angeläutet wird.

Was ich aber eigentlich erzählen wollte, Achtung, ist dieses: Ich habe das Kaffee Burger von Zürich entdeckt. Der Spunten heißt Meyer's und befindet sich am Lochergut. Und wie alles in Zürich, ist es natürlich noch viel besser und viel originaler als die Berliner Inkarnation. Im Meyer's kann man schon abends um 10 Koordinationsschwierigkeiten und Kommunikationsbedürfnisse (verbaler und physischer Natur) beobachten wie im Kaffee Burger morgens um halb fünf. Noch während meine Mitbewohnerin und ich an einem Freitagabend unsere Fahrräder an der Ecke abstellen, kommt ein Mann mit Hund auf uns zugeschossen und fragt, ob wir ins Meyer's wollen. Denn in dem Fall müssten wir nach der ersten Stange gleich wieder rauskommen und einen mit ihm kiffen. Unbedingt.

Innen haben wir noch nicht einmal richtig an der Bar Platz genommen, schon sind wir mit unseren Nachbarn in eine Diskussion über das angemessene Getränk und die universelle Unaufrichtigkeit verwickelt. (Trinken: Was schon? Natürlich geht nur Bier in irgendeiner Form. In schummrigen Laden mit dunkel gebeizter Holzbar und bunten Lampen trinkt man doch keinen Sekt-Aperol! Unaufrichtigkeit: Führen wir nicht alle ein Doppelleben?) Einer von beiden trinkt jedenfalls den ganzen Abend Cola, die er mit einem bunten Cocktail-Stäbchen umrührt, vielleicht damit die Kohlensäure rausgeht. Vermutlich versucht er, wieder nüchterner zu werden - der Abend ist ja schließlich noch jung. Er hängt fast auf dem Tresen, richtet sich immer mühsam auf, um das Glas zum Mund zu führen und stößt sich dabei jedesmal das giftgrüne Stäbchen neben dem rechten Auge tief in die Wange. Er fragt uns aus und hat zu allem einen Kommentar in petto. Buchbranche? Jaja, John Irving hat ein neues Buch geschrieben, das ist wohl genau der gleiche Scheiß wie die anderen von ihm, und auch genauso lang, hab ich gehört, das muss ich doch nicht lesen. Was liest du denn gerne? Martin Suter? (Nein.) Thomas Hürlimann? (Ja. Und dann auch noch ein paar nichtschweizerische Autoren, aber lassen wir das...) Und wenn ich jetzt ein Buch schreiben würde, müsstest du dann entscheiden, ob man das druckt oder nicht? (Bitte, bitte schreib kein Buch!) Aber kannst du das überhaupt, woher willst Du denn wissen, ob das gut ist oder nicht? Wenn Du jetzt mein Buch ablehnst, und dabei ist das der Hammer und wird ein Bestseller, dann ärgerst du dich doch. Fliegst du dann raus?...

Sein Kumpel ist wesentlich nüchterner, wesentlich wortkarger und wesentlich sympathischer, aber viel weniger unterhaltsam. Der Mann mit Hund gesellt sich schließlich auch noch zu uns. Er ist ein Engelmedium, findet die Schweizer Flüchtlingspolitik faschistisch und hat eine deutsche Fast-Ex-Freundin. Du bist übrigens auch ein Engel, sagt er. Ich sage, ja schon, aber nur als Metapher. Er sagt, jaja, genau, eine Metapher. Ich wüsste furchtbar gerne, was die Engel so erzählen (vor allem, wenn sie eigentlich Metaphern sind - endlich Einblick in das geheime Innenleben der Metaphern!), aber er will keine konkreten Informationen herausrücken.

Nach einigem Hinundher und sehr merkwürdigen Diskussionen endet der Abend so: Der Colatrinker kommt nach dem Rauchen mit dem Engelmedium einfach nicht zurück, seine Jacke ist noch da. Der ruhige Kumpel versucht es erfolglos auf seinem Handy. Das Engelmedium selbst wird von seiner deutschen Fast-Ex-Freundin angerufen und versinkt in einem wirren Krisengespräch. Wir nutzen die Gelegenheit zum Aufbruch.

Wie gut, dass ich jetzt weiß, wo man hier so hingeht, wenn man mal dringend auf der Suche nach (absurden) Gesprächspartnern ist, und wie gut, dass man gar nicht bis halb fünf wach bleiben muss.

1 Kommentar:

  1. Toll, dass man Engelmedien in Zürich schon so früh am Abend trifft!

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