Mittwoch, 18. November 2009

Herbstblog

Es ist Herbst in Zürich und der Nebel ist endlich da. Er dampft nicht mehr nur aus dem Uetliberg heraus, als läge dieser am Rand von Mittelerde, sondern hängt jetzt morgens über der ganzen Stadt. Die Zürcher Nebelsuppe ist legendär und dient den Bergbewohnern gerne als Spottvorlage gegen die eingebildeten Städter. Sie wabert jetzt auch allmorgendlich durch meinem Hinterhof. Im Sommer hat es einmal ein paar Häuser weiter gebrannt, das sah ganz ähnlich aus, aber es roch schlechter. Jetzt riecht es morgens nur nach E-Herd. Dieser seltsame Geruch der Herdplatten, wenn sie heiß werden, und der gar nicht heimelig ist oder nur auf eine beklemmende Art und Weise.

Wenn der Nebel am Morgen über dem See hängt im Gegenlicht, sieht es aus wie das Ende der Welt, das heranrückende Nichts, das eben nicht schwarz ist, sondern einfach nichts. Die Masten der verwaisten Segelboote ragen in die Höhe, ganz still, als wären sie festgefroren in dem hellen Weiß.



Minuten später ist der Nebel verschwunden. Dann kann man plötzlich weit ins Gebirge hineingucken, überklar ist jede Felszacke, die aus dem Schnee ragt. Fast erschreckend ist dieser Anblick und ich wundere mich, dass ich als einzige Passantin meine Augen nicht abwenden kann, während alle anderen zur Arbeit hetzen oder joggend auf den Boden starren und in ihren I-Pod hineinhorchen. Ich bin die einzige, und ich riskiere sogar noch etwas dabei, weil man beim Fahrradfahren nicht zur Seite sehen sollte, jedenfalls nicht, wenn Bäume oder Pfosten in der Nähe sind.

Wenn man die Berge sieht, dann ist Föhn, habe ich gelernt. Ich weiß immer noch nicht, was Föhn eigentlich ist. Manche Menschen bekommen Kopfschmerzen davon und schlechte Laune. Ich habe gute Laune, weil man die Berge sieht und ich trotzdem noch keinen Baum gerammt habe.

Dass es Herbst ist, merkt man auch daran, dass man anfängt zu deklamieren. Die meisten machen es innerlich, manche tun es laut. Seltsam, im Nebel zu wandern und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Der Herbst ist einfach die poetischste Jahreszeit. Nur der Frühling kann damit konkurrieren, wenn Strom und Bäche endlich vom Eise befreit sind und ein blaues Band durch die Lüfte flattert. Aber Sommer und Winter finden nicht statt im bildungsbürgerlichen Zitatenschatz, warum eigentlich?


Jeder ist allein.

2 Kommentare:

  1. Na dann mach mal Bilder und stell sie hier ein, wenn du mal wieder so schön weit ins Gebirge gucken kannst... Würd ich auch gern sehen... ;-)

    Warste schonmal wo oben?

    Grüße

    Andi.

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  2. Bergguck-Fotos kommen bald. Allerdings können sie den Zoom-Effekt vom Föhn nicht abbilden. Leider!

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