Freitag, 10. Juli 2009

Kaffee, Gipfeli und Panache

Nach einer Woche in Zürich habe ich bereits ein Stammcafé und mindestens fünf Lieblingsplätze. Ich bin zu einer ernsthaften SP-Sympathisantin geworden (die sozialdemokratische Partei, die, wie mir versichert wurde, schon noch links sei und grün, anders als die deutsche SPD), ich bin einem Aerobic-Club beigetreten, bei dessen Treffen wir zu dritt vor einem Laptop herumhüpfen, aus dem uns eine dauergewellte Animateurin „Sehr gut!“ und „Feste!“ zuruft; ich wurde schon auf ein Grillfest eingeladen, war auf zwei verschiedenen Festivals und in zwei Clubs. Die vielbeschriene Schweizer Reserviertheit ist mir noch gar nicht begegnet. Vielleicht war es meine offene und doch zurückhaltende Art (das sagen andere über mich). Wahrscheinlich hatte ich einfach nur Glück.


An meinem ersten Morgen in Zürich brauchte ich dringend zwei Dinge: einen guten Kaffee und einen Internetzugang. Ich stolperte aus der Tür meiner Pension und keine 50 Meter weiter warb ein Café mit gratis W-LAN. Ich bestellte einen Kaffee und ein Gipfeli (Croissant) und begann mit Laptop und Stadtplan zu hantieren – auf der Suche nach einer Wohnung. Die Café-Betreiberin sprach mich an und eine halbe Stunde später hatte sie mir bereits ein Zimmer als Übergangslösung angeboten. Am Abend sollte ich wiederkommen, dann würde mir ihre Schwester die Wohnung zeigen.


Als ich nach einem langen, heißen Tag voller trostloser Wohnungsbesichtigungen zurückkam, müde, aber noch geschäftsmäßig angespannt (schließlich galt es noch eine Besichtigung zu absolvieren), da wurde mir zum ersten Mal der Zauber des Emo zuteil. Setz Dich erst einmal, sagte die Schwester, trink etwas. Die Anspannung des Tages fiel von mir ab, wir verschoben die Besichtigung und ich bestellte ein Bier. Man stellte mich den anderen Stammgästen vor, wir unterhielten uns über Deutsche in Zürich, übers Zürideutsche, über Wohnungen und alles mögliche, es wurde auch viel gescherzt und gefrotzelt. Ich lernte mein Lieblingsgetränk zu bestellen (nämlich „Panache“ - Radler) und blinzelte glückselig vor mich hin, froh, dass ich diesen Abend nicht alleine verbringen musste und dass der Alkohol und die Gesellschaft die Erinnerungen an die hässlichen kleinen Mansardenzimmer mit Fluglärm vertrieb.


Mit einem Mal hub ein vielstimmiges Hallo an. Ein großer Blonder mit wilden Locken wurde freudig begrüßt; in seinem Schlepptau eine beschwingte Gruppe schöner Menschen, die wild diskutierte. Es musste sich wohl um Künstler handeln, vermutlich eine Theatergruppe, vielleicht Musiker. Die Beschwingten setzten sich zu uns, isolierten mich von meinen Gesprächspartner und hinderten mich mit freundlichen Frotzeleien am Gehen. Zu meiner Überraschung war es nicht die Kunst, sondern die Politik, die sie zusammengeschweißt hatte. An meinem Tisch saßen Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei. Der Abend endete damit, dass ich für den nächsten Tag zum Grillfest der SP eingeladen wurde – einem Grillfest übrigens, das mir nicht nur die schönste Aussicht der Stadt bescherte (beim Aufstieg zum Waidbad), sondern bei dem ich mich auch keine Sekunde unwohl gefühlt habe, obwohl ich sicher die einzige Deutsche und vielleicht sogar das einzige Nicht-SP-Mitglied war.



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